Am letzten Sonntag und am letzten Dienstag des Karnevals findet in Oristano di Sa Sartiglia statt, ein altes Reiterspiel aus dem Jahr 1600. Uneingeschränkte Hauptperson dieses Schauspiels ist Su Componidori, rätselhafte und faszinierende Zwittergestalt in Maske, an der Spitze der Reiter. Von zwei Gremien oder Zünften organisiert, der der Bauern am Sonntag und der der Schreiner am Dienstag, beginnt das Schauspiel mit der Einkleidung des capocorsa, des Wettkampfleiters: vor dem Publikum mit Hilfe von jungen Frauen in Tracht, den is massaieddas. Unter Trommelwirbeln und Trompetenfanfaren erfolgt die Verwandlung des Mannes zum Halbgott. Erst ziehen ihm die erfahrenen Hände der massaieddas das makellose Hemd über, die Jacke und den Gurt, dann wenden sie sich dem Gesicht zu. Sie wickeln es mit Taschentüchern ein, bringen die Holzmaske an, fixieren den Schleier, setzen ihm den schwarzen Zylinder auf und stecken ihm schließlich die Kamelie an.
Unbeweglich sitzt su Componidori auf einem Stuhl, der auf einem mit Weizen, Blütenblättern und anderen Fruchtbarkeitssymbolen überstreuten Tisch befestigt ist. Von diesem Moment bis zum Ende des Rennens darf er keinen Fuß mehr auf den Erdboden setzen, um die erworbene Heiligkeit nicht wieder zu verlieren. Wenn die Ankleidezeremonie abgeschlossen ist, steigt er direkt vom Tisch auf das Pferd. Mit einer Gruppe von Trompetern und Trommlern vorneweg und von einem Zug maskierter Reiter in farbenfreudigen Kostümen gefolgt, durchquert su Componidori die Stadt und segnet die Bevölkerung mit seiner pippia e maju, einem Strauß violetter Veilchen, der an ein mit Immergrün umwundenes Szepter gebunden ist, Symbol des alles überragenden Frühlings. Das Turnier spielt sich in der via del Duomo ab: an einem grünen Seidenfaden hängt der Stern, den die Reiter im Galopp mit ihrer Lanze aufspießen sollen. Das Volk verfolgt das Rennen mit großer Anteilnahme und stellt aus der Anzahl der aufgespießten Sterne Prognosen für das nächste Jahr. Das Rennen um den Stern endet damit, dass der Wettkampfleiter, rücklings auf seinem galoppierenden Pferd die Menge mit dem Veilchenstrauß segnet. Bald darauf beginnen in einer anderen Straße der Stadt die Rennen von Is Pariglias: Zwei oder drei Reiter vollführen in vollem Lauf auf ihren Pferden akrobatische Kunststücke, versuchen sich dabei gegenseitig zu übertreffen und stellen ihre große Geschicklichkeit und ihren Mut unter Beweis.